Auf dem Bild sind sechs Personen zu sehen. Sie stehen in einem Raum, hinter ihnen sind drei Flaggen zu sehen.
Demokratie erleben: Die Teilnehmenden des Politcafés in Wuppertal besuchen regelmäßig öffentliche Sitzungen im Stadtrat und im Landtag. Foto: KoKoBe Wuppertal

Es ist Mittwochabend in Wuppertal. Alle zwei Wochen heißt es für die Teilnehmenden des Politcafés: auf zur Färberei. Die Räume der KoKoBe füllen sich. Es sind Menschen mit Lernschwierigkeiten, die sich hier treffen, um über das politische Geschehen zu sprechen, Fragen zu stellen und eigene Wünsche zu diskutieren. Vor vier Jahren fand sich die Gruppe zusammen und stellte fest: Wir haben Forderungen an die Politik, und wenn wir das nicht selbst in die Hand nehmen, tut das niemand für uns. Seitdem hat sich ein fester Kreis entwickelt, organisiert und koordiniert von der KoKoBe. Man kennt sich, zum Teil auch aus der Arbeit in den Werkstätten, man vertraut einander und unterstützt sich gegenseitig. Um den Politikbetrieb zu verstehen, organisiert die Gruppe immer wieder Ausflüge zum Landtag, um an öffentlichen Sitzungen teilzunehmen. Oder man lädt direkt den Oberbürgermeister von Wuppertal zum Politcafé ein.

Es sind meist Themen des eigenen Alltags, die hier im Politcafé auf die Agenda kommen. Barrierefreiheit ist den Teilnehmenden ein wichtiges Anliegen, Inklusion und Mitbestimmung fordern sie selbstbewusst und selbstverständlich für sich ein. Zudem sensibilisieren sie für mehr politische Informationen in Leichter Sprache. Markus Liedtke, einer der Teilnehmenden, bringt auf den Punkt, worum es ihm geht: „Wir wünschen uns, dass wir Menschen mit Behinderung mit einbezogen werden, mit integriert werden. Dass wir auch ein Mitspracherecht haben, dass man uns ernst nimmt, dass man uns wahrnimmt und dass man uns aufgrund unserer Einschränkungen respektiert.“

Für seine Arbeit wurde das Politcafé im März 2025 mit dem Inklusionspreis der Stadt Wuppertal ausgezeichnet. Das Engagement wird geschätzt, eine Unterstützung des Sozialamtes half bei der dauerhaften Etablierung des Cafés. Der nächste Schritt, den die Teilnehmenden planen: raus aus den geschlossenen Treffen von Menschen mit Behinderung untereinander, rein in die aktive und dauerhafte Mitbestimmung in der Kommune. So möchte sich das Politcafé in den Wuppertaler Beirat der Menschen mit Behinderung wählen lassen.

Eine Gruppe Menschen sitzt in einer Stuhlreihe. Sie halten Schilder mit der Aufschrift
Sie sind sichtbar, fordern aktiv Barrierefreiheit ein, machen sich für ihre Belange stark: Die Teilnehmenden des Politcafés sind Vorbilder für viele. Foto: KoKoBe Wuppertal

"Die Teilnehmenden lassen sich von dem großen Begriff „Politiker“ nicht abschrecken."

Anna Lena Wimmers, KoKoBe Wuppertal

Im Interview erzählt Anna Lena Wimmers, die Koordinatorin des Politcafés in der KoKoBe Wuppertal, von der gemeinsamen Arbeit im Politcafé.

Frau Wimmers, Sie betreuen hier das Politcafé. Wie laufen die Treffen hier allgemein so ab und wobei unterstützen Sie die Teilnehmenden?

Annalena Wimmers: Die Gruppe trifft sich alle zwei Wochen mittwochs hier in den Räumen der KoKoBe in Wuppertal. Sie berichten von Themen, die sie im Alltag erlebt haben: Hindernissen, Hürden, aber zum Beispiel auch Fernsehberichte, die sie geschaut haben und die sie interessiert haben. Daraus entstehen dann oft die ersten Diskussionen. Wir schauen auch gern die Tagesschau in einfacher Sprache, um uns weiter zu informieren. Ich sehe mich als Koordinatorin der Gruppe.

Sie betreuen das Politcafé nun seit vier Jahren. Inwiefern haben sich die Menschen vielleicht auch verändert oder sich ihre Sicht auf Politik geändert?

Wimmers: Mittlerweile hat sich eine feste Gruppe etabliert. Es sind sieben bis acht Teilnehmende, die regelmäßig zum Politcafé kommen. Zum Teil besuchen sie selbstständig Ratssitzungen und schreiben Politikern, wenn ihnen etwas wichtig ist. Ich freue mich, die Gruppe zu empowern, selber ihren Weg zu gehen und dabei zu unterstützen, wo sie Unterstützung brauchen.

Wir freuen uns besonders darüber, dass die Stadt Wuppertal uns eine Finanzierung zugesichert hat. Sie haben gesagt: Wir finden das Thema so interessant, wir wollen Menschen mit Lernschwierigkeiten politische Teilhabe ermöglichen. Das ist einfach super.

Wie gehen die Teilnehmer*innen dabei vor, an die Politiker*innen heranzutreten und ihre Themen einzubringen?

Wimmers: Die Teilnehmenden lassen sich von dem großen Begriff „Politiker“ nicht abschrecken. So haben sie zum Beispiel dem Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal eine E-Mail geschrieben. Die E-Mail hat die Gruppe gemeinsam entwickelt. Eine Teilnehmerin hat die E-Mail-Adresse herausgesucht, hat selbstständig die E-Mail verschickt und wir haben dann gemeinsam einen Termin mit dem Oberbürgermeister vereinbart. Ich war lediglich zur Unterstützung, zur Beratung da, aber nicht die vorantreibende Person. Das finde ich bewundernswert: dass die Gruppe selbst auf die Idee gekommen ist.

Was muss sich aus Ihrer Sicht ändern, damit das Engagement von Gruppen wie hier im Politcafé ankommt, dass sich festgefahrene oder auch eingefahrene Strukturen lösen können?

Wimmers: Als erstes, dass Menschen mit Behinderung als Bürgerinnen und Bürger angesehen werden, die ein Teil unserer Gesellschaft sind. Dann braucht es auf jeden Fall mehr finanzielle Unterstützung für politische Teilhabe, sodass Assistenz und Begleitung finanziert werden können – gerade für Menschen mit Lernschwierigkeiten, weil sonst viele Türen einfach geschlossen bleiben. Und ich würde auch sagen, dass Beiräte für Menschen mit Behinderung mehr in die kommunale Ebene gehören, also dass sie ein Mitbestimmungsrecht haben, dass sie mit angehört werden und dass es Gremien gibt, in denen auch Menschen mit Lernschwierigkeiten einen Sitz haben.

Frau Wimmers, wir danken für das Gespräch.

Die Teilnehmenden, einen persönlichen Blick auf ihre Arbeit und ihre konkreten Forderungen an die Politik: Wir waren im Politcafé zu Besuch und stellen unsere Eindrücke in einer Video-Story vor.