Zu sehen ist ein Luftballon mit dem Logo des Netzwerks
Mit einer Feier wurde die Pflegeschule der LVR-Klinik Köln in das Netzwerk "Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage" aufgenommen.

„Ich würde mir wünschen, dass wir alle mit den eigenen Vorurteilen aufräumen“

Frau Dickersbach, warum hat die Schule sich entschieden, dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ beizutreten?

Nathalie Dickersbach: Die Idee entstand, als kürzlich eine der LVR-Förderschulen ins Netzwerk aufgenommen wurde. Unsere Klinik ist bereits zertifiziert als „Krankenhaus der Kulturen“. Und auch hier in der Pflegeschule sind wir sehr divers und sehr unterschiedlich: Wir haben Auszubildende aus den unterschiedlichsten Ländern, mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft, Hautfarbe, Sexualität. Es ist nicht so gewesen, dass hier vorher Rassismus herrschte, aber ich finde in der heutigen Zeit ist es wichtig, noch einmal ein klares Statement zu setzen. Unsere Schule soll ein Ort sein, wo alle einen geschützten Raum haben, wo sie eine gute Lernatmosphäre haben, wo sich alle wohlfühlen und wo einfach alle ein bisschen mit darauf achten, dass ein gutes Klima herrscht. Die Aufnahme in dieses Netzwerk kommt eher einer Selbstverpflichtung gleich: Es geht darum, Dinge anzusprechen und gemeinsam an diesem guten Klima zu arbeiten.

Was muss man denn als Schule tun, wenn man beitreten möchte?

Nathalie Dickersbach: Das ist gar nicht so schwer. Man muss erst einmal eine geheime Abstimmung aller Schulmitglieder machen. Auf einem Wahlzettel kreuzt jede*r an, ob man bereit ist, der Selbstverpflichtung zuzustimmen. Das bedeutet Rassismus entgegenzutreten und zu einer offenen Auseinandersetzung und einem respektvollen Miteinander beizutragen. Um dem Netzwerk beizutreten, muss man mindestens 70 Prozent Zustimmung erreichen. Wir hatten sogar 94 Prozent positive Rückmeldungen, was mich sehr gefreut hat. Danach meldet man sich beim Netzwerk an und macht sich auf die Suche nach einem Paten oder einer Patin. Ich finde es toll, dass Ayan Ali uns als Patin unterstützt. Bevor sie als Stand-up-Comedian durchgestartete ist, hat sie selbst einmal in der Pflege gearbeitet.

Sie haben den Beitritt ins Netzwerk mit einer Projektwoche verbunden. Was haben Sie in dieser Woche alles gemacht?

Nathalie Dickersbach: Zunächst haben die Auszubildenden sich Gedanken darüber gemacht, was Rassismus für sie ist, wie sich das anfühlt. Daraus entstanden kreative Werke: ein Poster, eine Skulptur, etwas Haptisches, vielleicht auch Polarisierendes.

Im Verlauf der Woche gab es verschiedene Workshops mit Expert*innen. Wir hatten jemanden vom Verfassungsschutz hier, der über Rassismus im Netz aufgeklärt hat. Ich selber habe zum Beispiel gelernt, dass Emojis in der rechten Szene eine ganz andere Bedeutung haben können.

Es gab einen Workshop mit der Stabsstelle Gleichstellung und Gender-Mainstreaming zum Thema sexuelle Belästigung und wir haben mit der Kollegin vom Kompetenzzentrum Diversity und Migration speziell über Diskriminierung im Zusammenhang mit Migration gesprochen.

Wir hatten eine Betroffene zu Gast, die uns über das Thema Geschlechtsangleichung und den Umgang mit diesen Menschen in der Pflege aufgeklärt hat. Und wir haben uns mit jüdischem Leben in Köln beschäftigt. Es war also sehr bunt gemischt und wir alle, auch die Lehrkräfte, haben ganz schön viel gelernt.

Hat sich durch diese aktive Auseinandersetzung schon etwas in der Schule verändert?

Nathalie Dickersbach: Ja, das Tolle ist: Die Auszubildenden untereinander haben sich auch nochmal neu und anders kennengelernt und viele, die sich vorher noch nicht begegnet waren, sind hier in Kontakt getreten. Es war schon etwas Besonderes, alle Auszubildenden gleichzeitig hier zu haben. Das Kursübergreifende Arbeiten hat sehr gut funktioniert und wir hatten die ganze Woche über eine sehr schöne, harmonische Atmosphäre.

Wichtig ist uns auch, dass wir alle gemeinsam in diesem Prozess sind. Es ist kein Programm, das den Auszubildenden „übergestülpt wurde“, sondern wir alle beteiligen uns daran, Auszubildende wie Lehrkräfte. Zukünftig werden wir dieses Thema regelmäßig wieder aufgreifen und auch weitere Workshops anbieten, um die Auseinandersetzung mit Rassismus am Leben zu halten und auch neue Auszubildende einzubeziehen.

Was möchten Sie Ihren Auszubildenden mitgeben im Hinblick auf ihre Arbeit in der Klinik?

Nathalie Dickersbach: Ich finde, gerade in der Pflege von psychisch erkrankten Menschen: Jeden so anzunehmen, wie er oder sie ist. Und dass es natürlich auch kulturelle Aspekte gibt, die es zu berücksichtigen gilt und auf die man sensibel eingehen muss. Es macht überhaupt keinen Unterschied, wo jemand herkommt oder welchen Glauben jemand hat. Ich würde mir wünschen, dass wir alle mit den eigenen Vorurteilen aufräumen und offen auf die Menschen zugehen.

Die beiden Auszubildenden Cengizhan Kayas und Selim Ramaj mit Schulleiterin Nathalie Dickersbach (v.l.)
Die beiden Auszubildenden Cengizhan Kayas und Selim Ramaj mit Schulleiterin Nathalie Dickersbach (v.l.)

"Es ist wichtig, ein Zeichen zu setzen"

Was bedeutet der Beitritt zu dem Netzwerk „Schule ohne Rassismus“ für euch?

Cengizhan Kayas: Also, ich finde, das ist ein wichtiges Zeichen. Heutzutage wurden sehr viele von uns, auch ich persönlich, schon einmal rassistisch beleidigt. Und ich finde es wichtig, dagegen ein Zeichen zu setzen.

Ist euch bei der Arbeit schonmal Rassismus begegnet?

Cengizhan Kayas: Ja. Bei meinem letzten Einsatz habe ich einen Patienten versorgt und dann hat er zu mir gesagt, so als Joke: ‚Hier sind ja schon viele Schwarzköpfe‘. Ich habe ihm gesagt, dass das nicht geht und dass er bitte darauf achten soll.

Selim Ramaj: Das kann natürlich auch umgekehrt passieren, dass zum Beispiel von Ärzt*innen oder Pflegekräften mal ein unbedachter Satz fällt, der aber abwertend ist, aufgrund von Herkünften, kulturellen Bedingungen oder Einflüssen, die jemand mitbringt als Patient.

Und auch deswegen ist es einfach wichtig, dass wir dem Netzwerk beitreten, weil es einen Impuls setzt, einen kleinen Nadelstich. Denn niemand, würde ich behaupten, ist vorurteilsfrei. Aber sich dessen bewusst zu sein, ist so wichtig, und sich klarzumachen: Ich habe hier einen Patienten vor mir und keinen Menschen aus Sonstwo. Auf der anderen Seite müssen wir einen Nazi genauso behandeln, denn auch diese Menschen brauchen unsere Hilfe, wenn sie in die Klinik kommen. Und wir können einen Menschen nicht aufgrund seiner politischen Einstellung zum Beispiel anders behandeln oder schlechter behandeln als jemand anderen.

Wie hat euch die Projektwoche gefallen?

Cengizhan Kayas: Es waren sehr viele interessante Workshops und ich persönlich nehme sehr viel mit. Wir hatten gestern das Thema „Diskriminierung während der Arbeit“. Wie auch Selim sagte, sei es Herkunft oder das Aussehen, wir sind halt alle gleich. Egal wo man herkommt oder wie man aussieht.

Selim Ramaj: Ich fand die ganze Woche gut. Denn es ist ja nicht etwas, das man sich alltäglich bewusstmacht. Die Auseinandersetzung mit Rassismus, Diskriminierung, Mobbing, Hate Speech, Homophobie etc. - Niemand geht nach Hause und denkt: ‚Ok, wie rassistisch ist mein Umfeld gerade? Oder ich selber?‘ Und deswegen war die Woche einfach sehr gut.

Auch die vielfältigen Einblicke: Vom Verfassungsschutz zum Thema Rechtsextremismus oder von Amnesty International zu Menschenrechten. Gestern hatten wir einen Vortrag mit dem Integrationsbeauftragten unserer Klinik, Herrn Dr. Gün, in dem es um interkulturelle Öffnung der Pflege ging und es war einfach mega-interessant. Er hat uns eine breite Palette an Handlungsmöglichkeiten gezeigt, die ich zum Teil noch gar nicht kannte. Es gibt zum Beispiel Übersetzungsmöglichkeiten per Telefon oder auf einem speziellen Gerät. Es war so vielfältig und es war einfach so gut. Wenn ich das nächste Mal auf Station gehe und ich habe eine Sprachbarriere, weiß ich, wie ich mir helfen kann. Oder auch meinen Kolleg*innen, die manches davon vielleicht noch nicht kennen.

Das heißt, ihr würdet sagen, dass ihr für eure Arbeit etwas mitgenommen habt?

Selim Ramaj: Auf jeden Fall! Hundertprozentig! Wir sind quasi die nächsten Generationen, die in die Pflege gehen wird. Und deswegen ist es sehr wichtig, dass wir das gemacht haben.

Aber auch für schon Examinierte sind solche Trainings aus meiner Sicht sehr wertvoll - und ein wichtiger Schritt um alle Mitarbeitenden zu sensibilisieren.

Wenn politische Sprache krank macht

Ohne Schuld und Scham? Wie sich das aktuelle gesellschaftliche Klima auf Patient*innen mit Migrations- und Fluchterfahrung auswirkt, erzählt uns Marie Bette, Leitende Psychologin an der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des LVR-Klinikums Düsseldorf, die auch die transkulturelle Ambulanz leitet.

Das Thema steht beim diesjährigen Kongress des Dachverband der transkulturellen Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (DTPPP) im Vordergrund. Fachpersonen aus verschiedenen Berufsgruppen tauschen sich darüber aus, wie sich die aktuelle politische Sprache auf die Betroffenen und den gesellschaftlichen Zusammenhnalt auswirkt und was das für ihre Arbeit im Gesundheitswesen bedeutet.

In diesem Jahr richtet ihn die Düsseldorfer Klinik für Psychosomatik den DTPPP-Kongress als Kooperationspartner mit aus. Der Kongress findet vom 25.-27.09.2025 im LVR-Klinikum Düsseldorf statt.

Was tun gegen Stammtischparolen?

„Das wird mal doch wohl noch sagen dürfen!“ Populistische Parolen begegnen uns überall. Sie spalten die Gesellschaft und vergiften das politische Klima. Und oft lassen sie uns mit einem Gefühl der Ohnmacht zurück: Wie kann ich in meinem persönlichen Umfeld auf die vehement vorgetragenen vermeintlichen Erklärungen, Schuldzuweisungen und Forderungen angemessen reagieren?

Professor Klaus-Peter Hufer von der Universität Duisburg-Essen hat schon vor mehr als 20 Jahren ein „Argumentationstraining gegen Stammtisch-Parolen“ entwickelt und seitdem Hunderte Seminare gegeben. Eines davon zusammen mit dem Kompetenzzentrum Diversity und Migration des LVR-Klinikverbunds. Derzeit wird das Argumentationstraining im Rahmen des EU-Projekts „Stand up for Europe“ neben Deutschland auch in Bildungseinrichtungen in Slowenien, Italien, Ungarn und der Türkei etabliert.

Warum es so wichtig ist, Stammtisch-Parolen etwas entgegenzusetzen und wie man trotz Fassungslosigkeit angemessen reagieren kann, erklärt er im folgenden Interview.

Vielfalt ist ihr Beruf: Die Diversity und Migrations-Manager*innen der LVR-Kliniken

Für die LVR-Klinken ist Vielfalt nicht nur selbstverständlich gelebter Alltag, sondern wir fördern sie auch aktiv. In den LVR-Kliniken gibt es dazu neben Integrationsbeauftragten inzwischen auch spezialisierte Diversity und Migrations-Manager*innen. Sie arbeiten eng mit dem LVR-Kompetenzzentrum Diversity und Migration zusammen. Ihr Aufgabe ist es, ein inklusives Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich die unterschiedlichsten Persönlichkeiten auf Augenhöhe begegnen und einbringen können.

Was bedeutet Diversity für die Kolleg*innen ganz persönlich? Die Antworten geben sie in diesem Video.

Bei der Demokratie geht es darum, dass Menschen zusammenkommen und gemeinsam Veränderungen gestalten.
Seelische Gesundheit und Demokratie sind eng miteinander verknüpft. Eine starke Demokratie braucht Menschen, die sich selbstbestimmt einbringen können.

Partizipation im LVR-Klinikverbund

Demokratie lebt davon, dass sich alle Menschen aktiv beteiligen können – unabhängig von ihren Lebensumständen oder persönlichen Herausforderungen. Auch im Bereich der seelischen Gesundheit ist es unser Ziel, Teilhabe zu fördern, Mitsprache zu ermöglichen und gemeinsam Veränderungen zu gestalten.

Ein zentraler Ansatz in der Psychiatrie ist das trialogische Prinzip: Betroffene, Angehörige und Fachleute kommen auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch. Dieser Austausch führt zu einem besseren Verständnis und stärkt demokratische Prozesse im Gesundheitswesen.

Zudem setzen wir uns für mehr Partizipation ein – ob durch Mitbestimmung in Einrichtungen, die Förderung von Genesungsbegleiter*innen oder die politische Bildung von Menschen in psychiatrischen und forensischen Einrichtungen.

Einblicke in unsere Initiativen:

  • Genesungsbegleitung
    Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) setzt sich mit seinen Angeboten dafür ein, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen oder seelischen Beeinträchtigungen nicht nur Unterstützung erhalten, sondern auch als Expert*innen in eigener Sache Gehör finden. Menschen mit eigener Erfahrung in psychischen Krisen unterstützen als Genesungsbegleiter*innen andere Betroffene in der Psychiatrie oder im Maßregelvollzug. Sie bringen ihre persönlichen Erfahrungen ein, bauen Brücken zwischen Patient*innen und Fachpersonal und tragen so zur Stärkung demokratischer Strukturen bei. Derzeit läuft ein Filmprojekt, das einen Einblick in die Arbeit unserer Genesungsbegleitenden geben wird. Der Film wird demnächst hier zur Verfügung stehen.
  • Der trialogische Beirat im IFUB
    Das Institut für Forschung und Weiterbildung im Bereich der unterstützenden psychiatrischen Begleitung (IFUB) setzt auf die Expertise Betroffener. Der trialogische Beirat vereint Perspektiven von Nutzer*innen, Angehörigen und Fachkräften, um neue Wege in der psychiatrischen Versorgung zu entwickeln.
  • Politische Bildung für forensische Patient*innen
    Demokratie bedeutet Mitbestimmung – doch wie können Menschen im Maßregelvollzug aktiv an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben? In einem neuen Bildungsangebot sollen Patient*innen politische Grundkompetenzen erwerben und eigene Interessen vertreten lernen.

Diese Initiativen zeigen, wie eng Demokratie und seelische Gesundheit miteinander verknüpft sind. Denn eine starke Demokratie braucht Menschen, die sich selbstbestimmt einbringen können – unabhängig von ihren Lebensumständen. Der LVR setzt sich dafür ein, diese Teilhabe zu ermöglichen.